28.04.2007

Die Zukuft von Absurdistan

Mike Davis
Planet der Slums
(Mike Davis: Planet der Slums /Assoziation A, Februar 2007, 19 €)


Laut eines UNO-Berichts von 2001 existierten 1950 86 Städte mit einer Einwohnerzahl von mehr als einer Million. Heute sind es bereits über 400 und im Jahr 2015 wird es weltweit voraussichtlich mindestens 550 Millionenstädte geben – die allermeisten davon in Ländern des Trikont, also in Afrika, Asien und Lateinamerika. Dieses rasante Wachstum lässt sich zur Verdeutlichung auch anders beschreiben: Derzeit gibt es weltweit etwa 3,2 Milliarden Stadtbewohner/innen – das sind mehr Menschen, als zur Zeit der Amtseinführung (1961) des US-Präsidenten John F. Kennedy überhaupt auf der Erde lebten. Und in Städten wie Mexico-City mit einer Einwohnerzahl von über 20 Millionen leben mehr Menschen in einer Stadt als zur Zeit der Französischen Revolution auf dem gesamten Planeten.

Wie vor 9.000 Jahren

Es sind Anschaulichkeiten wie diese, mit denen der US-amerikanische Autor Mike Davis sein Buch "Planet der Slums" eröffnet. Ausgehend von der Studie "The Challenge of Slums", die 2003 vom "Habitat"-Programm der UNO erstellt wurde, hat der in San Diego lebende Sozialkritiker Daten und Spekulationen über die Gegenwart und die Zukunft der städtischen Slums auf der ganzen Erde zusammengetragen – und entwirft so eine düstere Spekulation über die Zukunft städtischen Lebens.

Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit, so berichtet Davis, gibt es mehr Stadt- als Landbevölkerung. Das Wachstum vieler Städte im Trikont ist dabei mit dem der klassischen europäischen und nordamerikanischen Metropolen des 19. und 20. Jahrhunderts nicht mehr zu vergleichen: So wuchs London zwischen 1800 und 1910 um das Siebenfache, während in dem wesentlich geringeren Zeitraum von 1950 bis heute Dhaka (Bangladesch), Kinshasa (Demokratische Republik Kongo) und Lagos (Nigeria) ungefähr um das Vierzigfache anwuchsen. Dabei, um bei dem Vergleich zu bleiben, nimmt sich eine Stadt wie London mittlerweile recht klein aus: in "Planet der Slums" geht es auch um Städte, die in den nächsten Jahrzehnten zu riesigen städtischen Gebilden heranwachsen könnten – wie das indische Mumbai/Bombay (33 Millionen Einwohner/innen) oder Mexico-City (50 Millionen).

Erschreckenderweise, so Davis' Bericht, besteht die Mehrzahl der Megastädte zu immer größeren Teilen aus Slums. Die "Stadt von morgen" wird demnach nicht aus Stahl und Glas gebaut sein, sondern aus Backsteinen, recyceltem Plastik und Stroh. Für den Großteil der städtischen Bewohner/innen auf dem Planeten ist das Leben also durch ein weitgehend ebenso rechtloses wie armes Dasein in provisorischen Bauten, Hütten, auf alten Friedhöfen, auf den Dächern oder auf den Straßen riesiger Städte geprägt.FORUM Deine Buchkritik

Unsere Städte wachsen immer schneller

Der ärmste Teil der Menschheit, der auf dem Weg ist, die Mehrheit der Menschen zu bilden, wird so, ungewollt, wieder zu den Anfängen des städtischen Bauens vor etwa 9.000 Jahren zurückkehren. Oft sind es dabei gar nicht die Menschen selbst, die in die Städte ziehen, sondern es sind die Städte, deren Slums sich in rasantem Wachstum so weit ausdehnen, dass sie umliegende Städte und Dörfer vereinnahmen. Aus Personen, die zuvor etwa in der Landwirtschaft oder im Fischfang tätig waren, werden so innerhalb kurzer Zeit städtische Slumbewohner/innen ohne zu bewirtschaftendes Land oder ohne Meer, sprich: ohne wirtschaftliche Grundlage.

Postkoloniale Matrix

Davis macht für diesen weltweiten Prozess der Verslummung sowohl globale wie regionale politische Akteure verantwortlich. Zum einen greift er die Strategien der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds an, die seit den 1980er-Jahren arme Länder in desaströse Finanzkrisen und Schuldenfallen getrieben hätten. Die oft diktatorischen, autokratischen und/oder korrupten Regimes in den entsprechenden Staaten des Trikont – oder "Slumlords", also Personen, die sich den illegalen Status der Slumbehausungen und ihrer Bewohner/innen ökonomisch zunutze machen – würden dann dazu beitragen, dass es weltweit mittlerweile über 2 Milliarden Slumbewohner/innen gibt und dass sich ihre Situation keinesfalls verbessert.

Hinzu kommt, so Davis, dass "NGOs", also Nichtstaatliche Organisationen aus vornehmlich reichen Ländern, die vor Ort beispielsweise eine Ideologie der "Hilfe zur Selbsthilfe" praktizieren, eher als Werkzeuge eines "sanften Imperialismus" funktionierten denn als tatsächliche Kraft der positiven Veränderung der beschriebenen Prozesse. Slums als Zonen, in denen es für die Bewohner/innen so gut wie keine rechtlichen Grundlagen mehr gibt, so gut wie keine gesundheitliche Versorgung, kaum Nahrung, Bildungsstätten oder sanitäre Einrichtungen sind also für den Marxisten Davis keine Naturphänomene, sondern Gebilde politischen Willens: Die Aufteilung der Städte in "legale" Zonen für die Reichen und die Mittelschicht und in "illegale" Slumzonen für die Armen entspricht dabei einem kapitalistischen Schema der Segregation, der räumlichen Aufteilung.

Kein Platz für Sozialromantizismus

Diese Herstellung wirtschaftlicher, rechtlicher und politischer Unterschiede habe die Spaltung der Bevölkerung in gesellschaftliche Klassen zum Ziel – bewusst betrieben durch die Profiteure dieses Zustandes. Die Ausweitung und Zementierung eines Systems, das Davis als die "internationale kapitalistische Revolution" benennt (er meint damit die globale Finanzpolitik der Regierungen Kohl, Reagan und Thatcher seit Anfang der 1980er-Jahre) und das heute unter dem Stichwort "Neoliberalismus" bekannt ist – dies ist für Davis der Grund für die Verslummung des Planeten.

Für Sozialromantizismus, aber auch für Hoffnung oder den Glauben an partizipatorische Projekte von unten ist dabei kein Platz. Vielmehr sieht Davis die Slums als Teil einer postkolonialen Matrix, in der die Teilung der Welt in eine "Achse des Bösen" und ein zu verteidigendes "Homeland" einem Klassenkrieg gleichkommt, der zu weiten Teilen gegen die Ärmsten der Armen in den Slums ausgefochten wird. Von dort aus werde dieser Krieg mit einer Methode der Chaosproduktion beantwortet, die offiziell "Terrorismus" genannt wird.

Angesichts dieser in ihrer Eindimensionalität fragwürdigen These wundert es nicht, dass Davis keine Beispiele benennt, geschweige denn dass er eine Idee oder Vision hat, wie die benannten Probleme zu lösen sein könnten. "Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren!", könnte "Planet der Slums" mit einer Zeile aus Dantes "Inferno" untertitelt sein. Für seinen globalen Slumbericht springt Davis rastlos von Ort zu Ort, von Kontinent zu Kontinent, von Studie zu Studie, was die Lektüre so atemberaubend wie das Buch abenteuerlich macht. Dass dabei etwa ausgerechnet der Großraum Düsseldorf in der Liste der größten Städte der Welt bei Davis auf Platz 46 rangiert, in der von ihm benutzten Quelle jedoch weit unter Position 300, lässt aufmerksam werden gegenüber der Genauigkeit der von Davis verwendeten Daten, die seine Thesen untermauern.


Buchbesprechung von Martin Conrads (17.1.2007) unter dem Titel:
Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren!

Martin Conrads lebt in Berlin und gibt die Hoffnung nicht auf. Für fluter.de hat er die englische Ausgabe des Buches, "Planet of Slums", gelesen.

Mehr auf fluter.de:
Die Stadt frisst das Land
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Wie werden wir in Zukunft wohnen?
Metropolen des Wandels
Wie funktioniert eine Global City?
Mike Davis: Die Geburt der Dritten Welt
Dürre, Hunger, Imperialismus
Heimat oder Moloch?






Buchbesprechung von PETER NEUHAUS
http://www2.uni-siegen.de/~ifan/ungewu/heft//neuhaus/.htm


Richard Sennet
Der flexible Mensch.
Die Kultur des neuen Kapitalismus*



Der in London und New York lehrende Soziologe und Zeitdiagnostiker Richard Sennet, hierzulande bekannt geworden durch sein Buch "Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität" (deutsch 1985), legt mit seiner Studie "Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus" (deutsch 1998) eine kritische, 'implizite Anthropologie' des gegenwärtigen kapitalistischen Wirtschaftssystems vor, die er in der These von der "Corrosion of Character" (so der englische Originaltitel, der die Dramatik der Analyse Sennets weitaus treffender einfängt als die deutsche Übertragung) konzentriert und entlang von biographischen Exposés und ökonomischen Datenerhebungen erläutert.

Die aktuelle Transformation des herrschenden Wirtschaftssystems vom "industriellen" zum "flexiblen" Kapitalismus stellt nach Sennet weit mehr dar als eine bloße "Mutation" (S. 10). Die Charakteristika dieses "flexiblen Kapitalismus" (S. 10) sind im wesentlichen (1) der "dis-kontinuierliche Umbau von Institutionen" (S. 59), (2) die "flexible Spezialisierung der Produktion" (ebd.) und (3) die "Konzentration der Macht ohne Zentralisierung" (ebd.).

(1) Der diskontinuierliche Umbau von Institutionen ist gekennzeichnet durch den Abbau traditioneller Hierarchien; dezentralisierte Firmenorganisation in "lockeren Netzwerken" (S. 60) anstelle kompakter Institutionen; "Re-engineering" als permanente Effizienzsteigerung durch innerbetriebliche Rationalisierung unter der Ägide professioneller Consultingbüros, die aus den alten, an "ihren Betrieb" gebundenen Belegschaften eine bloße Kalkulationsmasse menschlicher Arbeitskraft formen, die nach Belieben umstrukturiert, verschoben oder eben auch "freigesetzt" werden kann.

(2) Die flexible Spezialisierung der Produktion ersetzt die feste und andauernde Bindung an eine wohldefinierte Produktpalette durch die kurzfristige und jederzeit revidierbare Besetzung neu auftauchender Absatznischen; die computerisierte Hochtechnologie ermöglicht die jederzeitige Umprogrammierung der Maschinen auf den jeweiligen, befristeten Bedarf; die Aufgaben der Arbeitnehmer unterliegen einem ständigen Wechsel "innerhalb einer Woche und manchmal von einem Tag auf den anderen" (S. 65).

(3) Die Konzentration von Macht ohne Zentralisierung betreibt den Abbau antiquierter Machtstrukturen; sie verlagert Entscheidungskompetenzen auf untere Ebenen in weitgehend selbständig agierenden "Teams"; sie verschlankt Bürokratien; sie siedelt Produktionen in Heimarbeit an und diversifiziert Arbeitszeit zur sog. "Flex-Zeit" (S. 72), einem Mosaik individueller Zeitpläne ohne kommunikative Ausrichtung. Der Eindruck, der flexible Kapitalismus sei darum gleichsam 'demokratischer' oder 'partizipatorischer', weil er Macht auf diese Weise dezentralisiere, täuscht nach Sennet jedoch. Die Macht der Konzernleitungen und Managementeliten wird lediglich weniger anschaulich, unpersönlicher, abstrakter. Nicht der alte Vorgesetzte oder der 'Chef' verkörpert nunmehr die Macht, sondern ein umfassendes, computergestütztes Informationsnetz überzieht die Arbeitnehmer, wo immer sie sich befinden. Sie "tauschen", so Sennet, "eine Form der Überwachung - von Angesicht zu Angesicht - gegen eine elektronische ein." (S. 74)

Dieser neuartige, flexible Kapitalismus stürzt den Menschen in extreme Turbulenzen und gerät ihm zur radikalen Bedrohung seines "character", also seiner subjekthaft fundierten Identität und Individualität. Sennet bekennt sich zu Beginn seiner Untersuchung freimütig dazu, "philosophische Ideen auf die konkrete Erfahrung von Individuen angewandt oder an dieser gemessen" (S. 12) zu haben, und genau das erlaubt es ihm, den Deformations- und Destruktionsdruck des flexiblen Kapitalismus auf den ihm ausgelieferten Menschen offenzulegen und auf diese Weise eine "kritische Anthropologie" jenes kapitalistischen Systems zu umreißen, die es am Ende als das entlarvt, was es vielleicht krasser nie gewesen ist als augenblicklich: ein Moloch, der verschlingt, wer ihm zu nah kommt. Sennet zählt auf: "die Stärke schwacher Bindungen (Mark Granovetter)" (S. 28); Bedeutungsverlust von "Loyalität und gegenseitiger Verpflichtung" (ebd.); "kreative Zerstörung" (Schumpeter) als Umschreibung für die fortwährenden Umwälzungen in den Produktionsprozessen (S. 36); "ständig dem Risiko ausgeliefert sein" (S. 110); Aktivität um jeden Preis, denn "in einer dynamischen Gesellschaft ist der Stillstand wie der Tod" (S. 116); "Negation der Erfahrung" (S. 129); "eine ironische Sicht des Ich", das sich selbst nicht mehr ernstzunehmen vermag (S. 155); vor allem schließlich die Erfahrung der Zeit im Bann des flexiblen Kapitalismus: "das Regime der kurzfristigen Zeit" (S. 26), "die Angst vor der Zeit" (S. 129); ihre "Desorganisation" (S. 131), ihre "Fragmentierung" (S. 182) - "Zeit light" (S. 131).

Das Resultat für den einzelnen liegt in der Unmöglichkeit, das eigene Leben noch "als lineare Erzählung verständlich" (S. 17) machen zu können; statt dessen verharrt das bedrohte Individuum "in einem Zustand des Dahintreibens" (S. 22) - der "Drift" (S. 37). Das Grundgefühl einer solchen Existenz unter dem Hochdruck des flexiblen Kapitalismus ist "die Angst" (S. 10): "Persönliche Ängste sind tief mit dem neuen Kapitalismus verknüpft." (S. 128)

Politisch fragwürdig, ja gefährlich scheint Sennet der Versuch, die bedrohte Identität entweder durch einen demonstrativen "Kulturkonservativismus" (S. 33) sichern zu wollen, der im Grunde "nicht mehr (ist) als eine Art Testament der Kohärenz, die er [gemeint ist Rico, ein erfolgreicher Fisch im Netz des flexiblen Kapitalismus, dessen Geschichte Sennet erzählt; P.N.] in seinem Leben vermißt" (ebd.) oder aber - diesem Thema ist das ganze letzte Kapitels des Buches gewidmet - "der Gebrauch des 'Wir' zu einem Akt des Selbstschutzes" (S. 190), "die Sehnsucht nach Gemeinschaft" (ebd.), wie sie sich beispielsweise in der kommunitaristischen Bewegung ausdrücke und nur allzu oft auf die "Ablehnung von Immigranten oder anderer Außenseiter" (ebd.) gründe.

Sennet selbst setzt seine Hoffnung auf die Rettung des "character", also auf die Abwehr der Korrosion des Individuums weniger auf das von Seyla Benhabib, Amy Gutman und Dennis Thompson entwickelte und von Sennet durchaus als bedenkenswert eingeschätzte Konzept einer 'deliberativen Demokratie' (vgl. S. 198), das dem offenen Austrag von Konflikten innerhalb einer Gesellschaft mehr zutraut als dem "oft oberflächliche(n) Teilen gemeinsamer Werte, wie es im modernen Kommunitarismus erscheint" (ebd.), als vielmehr - in der Spur von Emmanuel Lévinas und Paul Ricoeur - auf das fundamentale anthropologische Defizit des flexiblen Kapitalismus, nämlich die Suggestion, daß der Mensch glaubt, auf den (Mit-)Menschen verzichten zu können. Sennet hält dagegen: "Ein Regime, das Menschen keinen tieferen Grund gibt, sich umeinander zu kümmern, kann seine Legitimität nicht lange aufrechterhalten." (S. 202)



Richard Sennett hat am 27.03.07 in Stuttgart den renommierten Hegel-Preis erhalten. Er ist 1943 in Chicago als Sohn russischer Einwanderer geboren worden und wohnt heute aber mit seiner Familie meistens in London, wo er an der School of Economics einen Lehrstuhl hat. Daneben unterrichtet er als Soziologieprofessor an der New York University.



Was ist zu tun, um den prognostizierten Entwicklungen entgegenzuarbeiten? Ist das herrschende Wirtschaftssystem wirklich der Weisheit der Menschen letzter Schluß? Nicht der Planet ist fremd, sondern die Menschheit hat sich dem Planeten entfremdet, aber das müßte sich doch ändern lassen, oder?

2 Kommentare:

His Excellency the Ambassador of Absurdistan hat gesagt…

"Und in Städten wie Mexico-City mit einer Einwohnerzahl von über 20 Millionen leben mehr Menschen in einer Stadt als zur Zeit der Französischen Revolution auf dem gesamten Planeten."
Neeee.
Da hat wohl jemand gar zu frei mit den Zahlen jongliert.

His Excellency the Ambassador of Absurdistan hat gesagt…

Wie schön, dass Menschen wie Martin Conrads solche Bücher wie Davis' Planet der Slums für uns liest. So erspart man sich viel Hände-über-dem-Kopf-zusammen-schlagen. Oder so. Hallelujah! Die Städte wachsen. Und der Schuldige ist gefunden! Wen könnte es überraschen? Es ist - ja, mal wieder - der Kapitalismus! Ein weiteres Rätsel gelöst! Leider scheint es, als habe sich der Kapitalismus in der Definition von Davis endgültig zum Gott gewandelt. Oder zumindest zum Teufel. Eine dunkle Naturgewalt muss er aber doch mindestens sein. An den Wanderbewegungen der ehemaligen Land- und zukünftigen Slumbewohner, an der Korruption und Unfähigkeit der Stadtplaner und Stadtplaner-Beauftrager-oder-auch-nicht und natürlich auch um Bevölkerungswachstum ist der Kapitalismus schuld. So. Ein Schelm, wer dem Autor da einseitige Schuldzuweisung vorwirft. Schließlich sind doch die Produktionsmittel in der Hand der… und so weiter.
Aber nein. Der linke Traum von der Schuld der fremden Macht greift nicht mehr. Denn er kann nicht mehr erklären, was die Welt bewegt. Die hohl gewordenen Phrasen von den "Mächtigen" und von "denen da oben" sind nur mehr Versuch, die eigene dunkle Seite, die eigene Schwäche zu externalisieren. Wie sollen diese Phrasen denn erklären, dass der Kapitalismus die Menschen nicht in die Städte presst sondern saugt? Oder eher, dass die Menschen in die Städte wandern? Dass die Chinesen seit langem mit ihrer Überbevölkerung zu kämpfen haben? Dass die chinese Regierung die Stadtbewohner bevorzugt? Dass die Menschen allüberall vom besseren Leben in der Stadt träumen? Von Wohlstand und Konsum? Das es die Menschen sind, welche die Welt machen? Müssen wir denn soviel Angst vor dem Ausbruch aus der Unmündigkeit dieser längst vergangenen Ideologien haben? Wir sind der Kapitalismus. Wir sind der Neoliberalismus (à la Kohl??) Wir sind das Volk, der Souverän. Und wir sind alle nur Menschen. Fangen wir doch besser mit der Veränderung bei uns selbst an, statt uns vor einem Schreckgespenst zu ängstigen. Du bist der Kapitalismus. Du bist die Kraft. Du bist Deutschland. Du bist frei.


P.S.: Beruhigend, dass auch dem Rezensenten der schludrige Umgang des Autoren mit Zahlen und Statistiken aufgefallen ist. Das zeugt vom augenscheinlichen Desinteresse des Autors an einer ergebnisoffenen Analyse. Hier steht der Schuldige bereits fest. Und die Daten werden gebogen bis sie passen. Da muss dann auch mal Düsseldorf mit seinen Altbier-Slums aus der Liste verschwinden. Leider tendiert so der mögliche Erkenntniswert des Buches gegen Null. Ein Beispiel: hätte es 1789 nur 20 Millionen Erdenbewohner gegeben - die französische Revolution hätte wohl nie stattgefunden! Denn in Wirklichkeit kämpfte man auch schon im 18. Jahrhundert mit Überbevölkerung, Hungersnöten, Korruption der Reichen (und wohl auch der Armen, hätten sie denn etwas zum Korrumpieren gehabt), Verschwendung und horrenden Staatsschulden. Noch vor der industriellen Revolution.






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